Neom Titel

Lesezeit: 9 Minuten

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber gleich nach der Beschreibung und dem ersten Blick auf das Material, musste ich unweigerlich an alte PC-Zeiten denken. Damals, in den Achtzigerjahren, zockte ich gerne und nächtelang das Städtebauspiel „SIM City“. Dazu kommt noch, dass ich im Sommer 2018 Lookout Chef Hanno Girke besuchen durfte und er mir dort den finalen Prototyp des Spiels zeigte. Ich war begeistert, meine Neugier war geweckt. Somit also kein Wunder, dass ich mir ‚Neom’ unbedingt anschauen wollte.

Eckdaten

Name: Neom – Erbaue die Stadt der Zukunft

für 1 bis 5 Spieler, ab 10 Jahren

Autor: Paul Sottosanti

Illustration: Christian Opperer

Verlag: Lookout

Spieldauer: 45 Minuten (Solo: 15-30 Minuten)

Platzbedarf: ca 45×45 cm pro Spieler

Neom

Verlagstext

In Neom erbaut ihr über einen Zeitraum von drei Generationen eure Stadt der Zukunft. Dazu müsst ihr die richtigen Plättchen wählen und für attraktive Wohnkultur sowie wirtschaftlichen Fortschritt sorgen. Ihr erhaltet dabei Geld und verschiedene Waren, die ihr wiederum für neue Plättchen sowie Siegpunkte benötigt. Jede Stadt erfordert den Aufbau bestimmter Strukturen, andernfalls gibt es bei der Wertung Abzüge. Am Schluss gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten.

Quelle: www.lookout-spiele.de, 2018

Das Spiel

NeomJeder Spieler bekommt zu Beginn ein Spieltableau mit 5×5 Felder. Das ist der Bauplatz der Stadt, den es während 3 Generationen (Spielrunden) zu bebauen gilt. In der Mitte jedes Plans ist bereits eine Rohstoffquelle, quasi als Start-Kapital vorgegeben. Diese Rohstoffquelle liefert auch gleich den ersten Rohstoff. Der Rest des Plans ist (noch) leer. Nun bekommt noch jeder drei „Ankerplättchen“ (= Gebäudeplättchen – warum diese Ankerplättchen heißen, ist mir ein Rätsel) die später jederzeit ebenfalls eingebaut werden dürfen. Schlussendlich runden 6 L-Coins (Geld) das Startkapital eines Spielers ab.

Rundenablauf

Los geht es mit der ersten Runde, der ersten Generation. Per Draftig-Mechanismus stehen anfangs 8 Plättchen zur Verfügung, von denen man eines auswählt und den Rest draftet (weitergibt). Später hat man die Auswahl aus 7, dann 6, 5, 4, 3 und zuletzt 2 Plättchen. Das letzte Plättchen wird ungenutzt abgelegt. Dann ist die Erste Runde (= Generation) beendet.

Jetzt folgt eine kurze Einkommensphase, bevor es mit den Plättchen der zweiten Generation, wieder nach demselben Muster weiter geht. Dann wieder eine Einkommensphase und die dritte und letzte Runde, in der wir wieder Plättchen für unsere Stadt auswählen können. Nach einer abschließenden Einkommensphase folgt die Schlusswertung mittels Wertungsblock, der alle Einzelwertungen erfasst.

Die Plättchen

Schauen wir uns die Plättchen mal etwas genauer an, denn diese sind ja das entscheidende Element im Spiel. Grundsätzlich ist der Aufbau der Plättchen fast immer gleich. Auf Ihnen sind die jeweiligen Kosten oder Bedingungen zum Bau angegeben, sowie eventuelle Effekte. Effekte können sein, Rohstoffe/Waren produzieren oder Einkommen generieren. Des Weiteren sehen wir, ob und wie viele Punkte das jeweilige Plättchen am Ende bringt.

Grundsätzlich gibt es dabei verschiedene Gruppen von Plättchen:

    • Wohngebäude, die meist am Ende Punkte bringen.
    • Wirtschaftsgebäude, bringen sofortiges und/oder Einkommen am Ende einer Generation.
    • Industriegebäude produzieren Handelswaren oder Luxusgüter.
    • Öffentliche Gebäude, die Punkte bringen und/oder besondere Effekte bieten.
    • Anbaugebiete. Sie liefern die Rohstoffe im Spiel und sollten nicht unterschätzt werden.

Beim Auslegen der gewählten Plättchen ist auch darauf zu achten, dass immer eine Verbindung über eine Straße hin zum Ursprung (Tableau-Mitte) besteht. Ohne eine Verbindung zum mittigen Plättchen ist das Anlegen nicht möglich.

Interaktion

NeomViel Interaktion ist nicht möglich, wenn man mal davon absieht, dass man beim Draften immer schauen muss, ob man seinen Mitspielern nicht unnötig eine Steilvorlage gibt. Das sollte natürlich vermieden werden, soweit möglich. Eine echte Interaktionsmöglichkeit hingegen bieten die Katastrophen-Plättchen. Diese sind zwar nicht gerade reichlich vorhanden, wenn man sie allerdings anstelle eines Gebäude-Plättchens auswählt, kann man seinen Mitspielern durch Großbrand, Überschwemmung oder einen Gewaltausbruch, gehörig in die Suppe spucken und bleibt dabei selbst sogar noch verschont.

Hilfreiche Interaktion ist ebenfalls möglich. Dann nämlich, wenn einem Rohstoffe oder Waren zum Kauf von Plättchen fehlen, diese aber bei Mitspielern vorhanden sind. Dann, und nur dann, kann man die fehlende(n) Ware(n) von seinen Mitspielern kaufen. Da diese sich nicht weigern dürfen, werden sie das Geld gerne annehmen. Dumm nur, wenn man selbst kein Geld hat um Waren zu kaufen.

Eindrücke mit 3-5 Spieler

Neom spielt sich super flott und bietet noch genügend Potenzial für strategische und taktische Überlegungen. Einzig, wenn auch nur ein Grübler am Tisch sitzt, dann kann es sich massiv ziehen, da ja die Plättchen gedraftet werden, muss man warten. Man selbst ist also völlig machtlos, wenn es mal wieder länger dauert. (Schoko-Nuss-Riegel gefällig?) Apropos „draften“, im Gegensatz zur Zweier- und Solo-Partie, muss man immer auch darauf achten, was man weitergibt. Nicht selten muss ich mich entscheiden, das favorisierte Plättchen aus dem Stapel eben mal nicht zu nehmen, nur damit es der folgende Mitspieler nicht bekommt. Das führt zwangsläufig zu Plan B und später zu Plan C, usw. Man kann nämlich sehr wohl 2 Stromerzeuger bei sich platzieren, auch wenn eines am Ende völlig ausreichend ist. Aber irgendein Mitspieler wird sich über diese Entscheidung „freuen“. Aber Achtung: das nächste Katastrophen-Plättchen kommt garantiert.

neomEin Fehler, den ich schon einige Male gemacht habe, ist das Vernachlässigen der eigenen Produktions-Maschinerie. Das führt spätestens in der dritten Generation zu Rohstoff- oder Handelswarendefizit, was sich nur durch Kauf der benötigten Ressourcen, ausgleichen lässt. Vorausgesetzt man hat auf seine Geld-Maschinerie geachtet! Dummerweise ist alles derart fein verschachtelt, dass sich alles immer wieder, irgendwie, rächt und beeinflusst.

Ein Beispiel gefällig? – Versucht man ein oder zwei möglichst große Wohngebiete, fernab von Industrie zu platzieren, vergisst man unter Umständen schnell, sich dringend benötigte Produktionsstätten zu sichern. Bemerkt man später diesen Fehler, lässt er sich nur schwer korrigieren. Realisiert man beispielsweise auch noch, dass man sich dringend auch um Geld-Nachschub hätte kümmern sollen, ist man vielleicht schon pleite – und eine Stromversorgung fehlt ja auch noch! Man kann nicht alles haben.

Eindrücke Partie zu Zweit

Eine Partie zu Zweit läuft im Wesentlichen gleich ab, mit einer wesentlichen Änderung. Es wird nicht gedraftet. Stattdessen werden abwechselnd Plättchen aus 4er oder 3er Stapel ausgewählt. Der Rest bleibt, inklusive aller Dilemmata und (Geld-)Sorgen.

Eindrücke Solo-Partie

NeomWie bei der Zweier-Partie, unterscheidet sich auch in der Solo-Variante der Spielaufbau etwas von der Grundregel für 3-5 Spieler. 7 Stapel mit abnehmender Anzahl Plättchen stehen zur Verfügung. Je Runde hat man dann die Auswahl aus den Plättchen eines Stapels. Da nur ein einziges Plättchen pro Stapel gewählt werden darf, kommt man recht schnell in eine Dilemma-Situation, denn meist mag man doch lieber mehr als ein Plättchen wählen. So wird aus dem Legespiel Neom ganz schnell eine harte Knobelnuss. Denn am Ende zählt nur eins, Punkte, und zwar möglichst viel davon. Da eine Solo-Partie locker in 15-20 Minuten gespielt werden kann, habe ich meist gleich mehrere Runden gespielt und versucht meinen eigenen Highscore immer wieder zu knacken. Für einen Außendienstler, abends, alleine im Hotel, eine willkommene Abwechslung.

Dilemmata

Die Krux bei Neom ist, dass man immer mehr machen möchte, als man kann und darf. Es heißt also, Prioritäten setzen. Nur welche?

Möchte ich am Ende möglichst große Wohngebiete haben, laufe ich Gefahr, zu wenige Wirtschafts- oder Industriegebäude zu bauen. Setzte ich auf viel Wirtschaft und damit auf hohes Geld-Einkommen, geht das unter anderem zu Lasten der Wohngebiete oder Öffentlicher Gebäude. Und was, wenn die Straßen des Gewählten Plättchens nicht passen wollen?

Zu manchen Entscheidungen zwingt mich auch der Wertungsblock. Habe ich am Ende keine Energieversorgung, bekomme ich Punktabzug. Habe ich keine Wohngebiete, bekomme ich Punktabzug. Baue ich Wohngebiete zu dicht an Industriegebäude, bekomme ich Punktabzug.

Das sind nur ein paar wenige Dinge, die einem das Leben in Neom schwer machen. Es gibt noch einige Zwickmühlen mehr. Es scheint, als ob man es nur falsch machen kann. Aber genau das ist der Reiz. Man möchte den idealen Mix finden und nimmt sich immer wieder vor: „Nächstes Mal mache ich alles anders!“ – Ob‘s klappt?

Fazit

Mir gefällt Neom recht gut, vor allem solo ist es immer recht kurzweilig. Mit Mitspielern war es hingegen immer unterschiedlich. Manche mochten es, andere wollten nach einer Partie nicht mehr. Fakt ist, dass es zwar anfangs recht einfach aussah, sich aber mit zunehmender Routine als ziemlich tricky herausgestellt hat. Nicht umsonst wird es von Lookout-Spiele als Kennerspiel eingestuft und nicht als Familienspiel.

© 25.03.19 Oliver Sack

Du bist anderer Meinung? – Oder möchtest etwas hinzufügen, ergänzen oder kritisieren?
Gerne! Schreib doch einfach unten in die Kommentare. Wir freuen uns über jedes Feedback.


Abbildungen der Spiele und Regelauszüge © Lookout Spiele / Fotos: Oliver Sack
Dies ist keine Werbung, dies ist eine rein sachliche Meinungsäußerung zu einem Produkt.


Recktschreibfehler oder falsch gesetzte, Satzzeichen gefunden? Bitte dokumentieren (Foto) und dann per Telex/Post in doppelter Ausführung an uns senden. Danke.