Sherlock Titel mit Award

Lesezeit: 9 Minuten

Gemütlich mit Familie oder Freunden am Tisch sitzen und gemeinsam Rätsel lösen. Das kann genau so unterhaltsam sein, wie ein Brettspiel miteinander oder gegeneinander zu spielen. Nicht immer hat man ja auch Lust zu würfeln und Figuren umher zu ziehen. Es darf ruhig auch mal ein kommunikatives, kooperatives Rätselspiel sein. „Aber bitte nicht zu lange!“ – Bedeutet, mehr als 60 Minuten sollten es nicht sein. Hier bieten sich u.a. die Spiele der EXIT-Reihe an, die man jedoch nur 1x spielen kann. Die sehr guten „Adventure Games“ scheiden hingegen mit Spielzeiten weit über zwei Stunden ebenfalls aus, obwohl diese mehrfach spielbar sind. Eine gute Mischung aus beiden Anforderungen bieten da die Fälle der Sherlock-Reihe von Abacus, die dazu noch ein angenehmes Maß an Herausforderung an die Fantasie mitbringen. Ein unterhaltsamer Rätselspaß  – kurz und durch Weitergabe auch mehrfach spielbar.

Eckdaten

Name: Sherlock

Für 1-8 Spieler, ab 12 Jahren

Autoren: Josep Izquierdo, Marti Lucas, (Jesus Otero)

Grafik: Alba Aragón

Verlag: Abacusspiele

Spieldauer: ca. 60 Minuten

Platzbedarf: ca. 60×60 cm

Auszeichnungen:
Beeple Award 25.10.2019
Empfehlungsliste „Spiel des Jahres“ 2019

sherlock

Spielprinzip von Sherlock

Das Spielprinzip ist überraschend einfach, sehr zugänglich und faszinierend zugleich. Es wird eine Startkarte ausgelegt und die restlichen 31 Karten werden gemischt und als Nachziehstapel bereitgelegt. Je nach Anzahl Mitspieler werden dann zwei oder drei Karten an jeden Spieler (Ermittler) verteilt. Das war schon alles, mehr Vorbereitung ist nicht nötig. Eine kleine Einführungsgeschichte, die den nötigen Background liefert und die Ausgangssituation beschreibt, gibt den Startschuss für die Ermittler. Was dann kommt, sind Fragen, Fragen, Fragen, gefolgt von teils wilden Spekulationen. Wer, wie und/oder wo ist etwas passiert und warum?

Hinweis:

Unsere Eindrücke basieren auf den bisher erschienenen drei Fällen und den Promo-Fall.
(Update folgt…)

Die Anfangsphase

Zu Beginn herrscht logischerweise völlige Ahnungslosigkeit. Keiner kann seine Informationen auf der eigenen Kartenhand so richtig einschätzen. Habe ich nur irrelevante Informationen auf der Hand oder bereits einen entscheidenden Hinweis? Abwarten. Da das Spiel kooperativ ist, dürfen die Spieler reden, diskutieren und bedingt Informationen auf ihren Handkarten zur Verfügung stellen. Das kann zu Beginn schon einmal helfen. Sobald ein Spieler jetzt der Meinung ist, er habe die Information schlechthin, gehen die Ermittlungen in die heiße Phase.

Der weitere Verlauf

SherlockVermeintlich wichtige Informationen werden für alle sichtbar ausgelegt, scheinbar irrelevante Informationen werden verdeckt abgelegt. Und immer wird viel diskutiert. So entsteht Stück für Stück ein Puzzle-Konstrukt, welches nach und nach Licht ins Dunkle bringt. Einzelne Ideen verschmelzen zu einer gemeinsam vermuteten Geschichte. Alles fühlt sich irgendwie logisch, manchmal auch etwas perfide an. Haben wir die Lösung?

Ermittlungsende

Am Ende, wenn der Nachziehstapel leer ist und alle Informationen aus- oder abgelegt sind, steht (idealerweise) eine Geschichte im Raum, auf die sich die Gruppe anhand der bekannten Informationen geeinigt hat. Doch ist das auch die Lösung des Falls? Ist die Fantasie mit allen komplett durchgegangen? Oder hat sich die Gruppe auf den Holzweg verleiten lassen, indem man zu sehr auf irrelevante Informationen gesetzt hat, ohne es zu merken?

Die (Er)Lösung

Bevor es aber zur Auflösung kommt, müssen 10 Fragen zum Fall beantwortet werden. Jetzt kann es vorkommen, dass einzelne Details noch einmal überdacht und ausdiskutiert werden. Manchmal erschließen sich einem die letzten Details auch erst mit den Fragen.

Dann endlich erfolgt die Erlösung – die Auflösung. Hier gibt es nicht nur die wahre Geschichte, wie sich der Fall zugetragen hat, sondern auch die korrekten Antworten auf die Fragen. Für jede richtig beantwortete Frage gibt es +2 Punkte, für Informationen, die irrtümlich (da irrelevant) ausgelegt wurden, gibt es Punktabzug (-1). Am Ende wird die erreichte Punktzahl noch auf einer Skala bewertet. Das war’s. Aber eigentlich ist’s egal wie viele Punkte man erreicht hat, Hauptsache es war unterhaltsam und hat allen Spaß gemacht.

Sherlock als Passiv-Spieler

Jeder der einmal eine Partie Sherlock gespielt hat, sollte sich unbedingt einmal neben eine Gruppe setzen, die genau denselben Fall durchspielt. Aber, bitte ganz ruhig verhalten, nichts sagen und nicht das Gesicht verziehen. Einfach genießen. Da zu Beginn einer Partie immer alle Karten gemischt werden, wird auch jede Partie mit anderen Karten „eröffnet“. Mal kommen so die guten Informationen früh auf den Tisch, was einen schnellen Erfolg versprechen kann, mal kommen gleich zu Beginn derart viele irrelevanten Informationen ins Spiel, so dass sich die Gruppe permanent auf dem falschen Dampfer befindet.

Das macht es als Zuschauer fast so interessant, wie als Mitspieler, vorausgesetzt natürlich, man kennt den Fall bereits. Klar muss man sich dann auch immer wieder beherrschen, nichts zu sagen, auch wenn die Verlockung sehr hoch ist oder man das Bedürfnis verspürt, helfen zu „müssen“. Nein, muss man nicht, nur zuschauen und genießen. Es lohnt sich.

Fazit

Ich muss ganz klar sagen, dass mir und meinen Mitstreitern, Sherlock bisher sehr gut gefallen hat. Jeder Fall brachte rund eine Stunde tolle Unterhaltung und es war faszinierend zu sehen, wie gut das System funktioniert. Aus dem Nichts kamen Stück für Stück, scheinbar zusammenhangslos, Informationen auf den Tisch, die nach und nach zu einem klaren Bild führten. Irgendwann wurden aus Spekulationen dann Gewissheiten und man war stolz auf das Erreichte. Wer Krimi- und Deduktionsspiele mag, der ist hier genau richtig. Und wo bekommt man 60 Minuten Spielspaß für bis zu 8 Personen für unter 7 Euro?

Ob Sherlock in Runden mit 6-8 Spieler allerdings noch sinnvoll funktioniert, kann ich nicht sagen. Wir haben unsere Fälle immer mit 3-5 Personen gespielt, was wir als ideal empfunden haben. Aber auch das Feedback von Bekannten (Vielspieler) die es Solo oder zu Zweit gespielt haben, war durchweg positiv.

Allerdings gibt es eine Kleinigkeit, die zu ein wenig Frust führen kann. Da zu Beginn einer Partie die Karten gemischt werden, können unvorteilhafte Situationen entstehen. Es können gleich zu Beginn viele irrelevante Informationen auftauchen, die dann auch ausgelegt werden, was, wenn es bemerkt wird, meist zu spät ist. Dann gibt es Punktabzug, für den man eigentlich nichts kann. Aber das ist wirklich nur eine Kleinigkeit und kam in unseren Runden gar nicht vor, jedoch konnte ich eine Gruppe beobachten, der genau das passiert ist.

Dennoch, für mich war „Sherlock“ mehr als nur eines der Highlights der Spielwarenmesse 2019. Bitte mehr davon.

Weitere Infos zur Sherlock-Reihe

Vorgestellt wurde die Sherlock-Reihe Anfang 2019 auf der Spielwarenmesse in Nürnberg. Bis heute sind neben einem Promo-Fall „Verbleib unbekannt“, insgesamt sechs weitere Fälle veröffentlicht, die zum Rätseln und Ermitteln einladen. Eingeteilt werden die einzelnen Fälle in drei Schwierigkeitsgrade. (+, ++, +++)

Sherlock reiheSherlock – Der Fluch des Qhaqya ++

Sherlock – Letzter Aufruf ++

Sherlock – Tod am 4. Juli +++

Im Juli 2019 erschienen:

Sherlock – 13 Geiseln +++

Sherlock – Das Labor ++

Sherlock – Der Pate + (Autor: Jesus Otero)

Was kommt noch:

Ob und wann weitere Fälle folgen ist uns noch nicht bekannt. Wir hoffen aber auf eine Fortsetzung. Eventuell soll noch eine Art „Junior-Version“ kommen, bei der es dann aber nicht um ein Gewaltverbrechen gehen soll.

Hintergrundinformationen

Ursprünglich erschienen die Spiele und das Spielsystem unter dem Namen „Q“ beim spanischen Verlag GDM. Wer genau GDM ist, ist nicht ganz klar. Es könnte der Eigenverlag der Autoren sein, aber das ist eine Vermutung. Enigma Studio, wurde in Spanien von den ehemaligen Besitzer von „homoludicus“ gegründet. Der Geschäftssitz von Enigma ist allerdings in Bulgarien. Sie haben auch die weltweiten Rechte erworben und den Namen in „Sherlock“ geändert. Abacusspiele wiederum hat es von Enigma für den deutschsprachigen Raum lizensiert, wobei die Produktion in der Hand von Enigma bleibt. Das alles macht auch die Rechtesituation etwas kompliziert, so Matthias Wagner von Abacusspiele.

Im spanischsprachigen Raum waren bereits sechs Teile der Serie erschienen, als sich Abacusspiele an die Übersetzung der ersten drei Teile gemacht hat. Enigma hat vorgeschlagen, den ursprünglich 4. Teil – „Verbleib unbekannt“ – als Demoversion zu veröffentlichen, da es ein einfacherer Fall ist und der allererste Fall den man spielt erfahrungsgemäß ein gewisses Aha-Erlebnis darstellt. Bei Abacus fand man diese Idee großartig und das Feedback dazu war bzw. ist super. Der 4. Teil wurde dann durch „Der Pate“ ersetzt, der möglicherweise aus einem Wettbewerb hervorgegangen ist, bei dem man eigene Fälle einsenden konnte. Daher taucht hier auch mit Jesus Otero ein weiterer Autorenname auf.

Altersangaben

Die Erstauflage der ersten drei Fälle und des Promo-Falls war noch mit einer Altersangabe von 8+ Jahren versehen. Dies hat man so von Enigma übernommen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies zu niedrig angesetzt ist. Diese Einschätzung teilen wir ebenfalls. Abacusspiele wird generell alle Fälle auf 12+ anheben, auch die bereits veröffentlichten ersten drei Teile. Die Jury „Spiel des Jahres“ hatte ja ihre Empfehlung ebenfalls schon auf 12+ gesetzt. Zu recht.

© 29.07.2019 Oliver Sack

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Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Abacusspiele / Fotos: © Oliver Sack
Dies ist keine Werbung, dies ist eine rein sachliche Meinungsäußerung zu einem Produkt.


Der Einfachheit halber, verwende ich die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“