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Kurz vor knapp – mancherorts eine Zeitangabe (ugs. für: Gerade noch rechtzeitig) beim neuen Spiel vom Zoch-Verlag jetzt eine namensgebende Maßangabe. Dahinter versteckt sich ein Geschicklichkeitsspiel in bewährter Zoch-Qualität. Also Holz, robust und sauber verarbeitet. In diesem Genre hat der Zoch Verlag bisher schon einige herausragende Spiele herausgebracht. Ich denke hier an den guten alten Bausack, an die Hamsterrolle oder die kippeligen Vertreter Bamboleo und Riff Raff, um nur wenige zu nennen. Jetzt also kurz vor knapp, welches neben Geschicklichkeit auch ein hohes Maß an Augenmaß fordert und das hat auch bei uns nicht jeder.
Name: kurz vor knapp
Für 2-4 Spieler, ab 8 Jahre
Autoren: Helmut Punke, Tobias Punke
Verlag: Zoch
Spieldauer: ca. 40 Minuten
Platzbedarf: ca 70x70cm
Verlagstext
Abschätzen, verbinden, höher bauen! Dem Spieler am Zug wird ein zufälliger Stab zugewiesen. Er bestimmt, welche zwei Säulen er hiermit verbinden möchte. Hat er die Länge des Stabs richtig eingeschätzt, setzt er neue Säulen aus seinem Vorrat auf das Spielfeld. Wer als erster alle eigenen Säulen verbaut hat, gewinnt. Ganz so einfach ist es jedoch nicht! Denn der Spieler am Zug darf seinen Stab erst anfassen, nachdem er sich entschieden hat, welche Lücke er mit diesem überbrücken möchte.
Kurz vor knapp ist das elegante und holzreich ausgestattete Augenmaßspiel, bei dem die Spieler Abstände richtig einschätzen müssen, wenn sie hoch hinaus bauen wollen.
Quelle: www.zoch-verlag.com
So spielt man kurz vor knapp
Zu Beginn stehen 10 rote Säulen innerhalb eines mehr oder weniger runden Kreis, der aus einem roten Schnürsenkel gebildet wurde. Rund um diese „Arena“ liegen die verschieden langen Holzstäbe spiralförmig aus. Die restlichen roten Säulen werden gleichmäßig an die Mitspieler verteilt. Schon kann es losgehen.
Ablauf
Wer an der Reihe ist, schaut sich (nur mit den Augen) den ersten Holzstab in der Spirale an und versucht seine Länge einzuschätzen, ohne diesen in die Hand zu nehmen. Mit dem hoffentlich richtigen Maß im Kopf wählt der aktive Spieler nun zwei der Säulen im Kreis, auf die der Stab passt, ohne dass dieser über die beiden Säulen herausragt und so, dass er auch auf den gewählten Säulen sicher liegt. Hat der aktive Spieler seine beiden Säulen gefunden, sagt er diese an und nimmt den Holzstab in die Hand. Nun zeigt sich, wie gut das Augenmaß war. Passt der Stab auf die beiden gewählten Säulen, ohne dass er übersteht, ist alles gut. Zur Belohnung darf der Spieler dann eine rote Säule aus seinem Vorrat auf den soeben eingesetzten Stab stellen, bevor der nächste Spieler an der Reihe ist. Passt der Stab nicht, weil er zu lang oder zu kurz ist, Pech – der Stab wird zurückgelegt und der nächste Spieler ist am Zug.
Sobald es möglich ist, darf jetzt auch in der zweiten Ebene oder später auch noch höher gebaut werden. Immer nach denselben Bauregeln. Außerdem gilt, je höher man baut, desto mehr eigene Säulen darf man ins Spiel bringen, was natürlich auch die Ablegemöglichkeiten der Mitspieler erhöht. Darum ist auch beim Einsetzen der Säulen wieder Augenmaß gefragt. Man will ja ungern den Mitspielern eine Steilvorlage geben.
Interaktion
Egal wie hoch das Bauwerk im Verlauf einer Partie auch wächst, es ist immer auch möglich, auf tiefer gelegenen Ebenen zu bauen. Doch Vorsicht wählt ein Spieler einen Ablageplatz für einen Stab, auf einer tieferen Ebene haben die Mitspieler ein Veto-Recht. Ist ein Mitspieler der Meinung, ein Stab könnte auf einer höheren Ebene regelkonform verbaut werden, so muss dieser Spieler jetzt übernehmen und beweisen, dass er recht hat. Geht alles gut, darf der Spieler auch noch seine Säulen verbauen. Der Spielzug wurde quasi geklaut und es geht normal weiter. Geht es allerdings schief und das Veto wurde zu unrecht eingelegt, wird der Spieler, der protestiert hat, bestraft, indem er zusätzliche Säulen in seinen Vorrat bekommt.
Spielende
Das Spiel endet entweder, wenn alle Stäbe verbaut sind oder ein Spieler keine Säulen mehr in seinem Vorrat hat.
Unsere Eindrücke
Über Material und Verarbeitung brauchen wir gar nicht zu reden. Das ist in üblicher Zoch-Manier einfach nur perfekt.
Die Aufgabenstellung bei kurz vor knapp die Längen der Stäbe per Augenmaß abschätzen und passend auf zwei Säulen platzieren, erscheint recht einfach. Dachte ich als erfahrener Maschinenbauer auch. Doch für mich stellte sich heraus, dass es für mich wesentlich einfacher ist, in Millimeter-Dimensionen zu schätzen als im Bereich von mehreren Zentimetern. Vielleicht haben Schreiner hier einen Vorteil, ich vermute das mal. Egal, das Spiel ist schwerer als es aussieht. Immer wieder fehlen die entscheidenden Millimeter oder besser gesagt, die Stäbe waren meist zu lang, teils Bruchteile eines Millimeters. Da hilft dann auch kein Schieben – zu lang ist zu lang! Deutlich seltener war es in unseren Runden der Fall, dass ein Stab zu kurz für eine gewählte Verbindung war. Auch Einspruch gab es in unseren Runden bisher eher selten und wenn, dann eher gegen Spielende und meist zu unrecht.
Aber nicht nur Augenmaß ist gefragt bei kurz vor knapp, nein, auch eine ruhige Hand beim Legen der Stäbe und setzen der Säulen. Es sollte ja einerseits stabil gebaut werden, anderseits immer auch so, dass es die Mitspieler nicht leicht haben.
Am Ende einer Partie wird man dann mit einem spektakulären Bauwerk belohnt. Dieses Bauwerk wird dann erfahrungsgemäß auch nicht sofort eingerissen. Nein, zuerst wird es analysiert und mit „Hätte, wäre, wenn“ ausführlich diskutiert. Das gehört bei unseren Runden kurz vor knapp einfach dazu. (Memo: Distanz ist nicht relativ!)
Fazit zu kurz vor knapp
Das Spiel ist, was es sein will. Ein solides, spannendes Familienspiel, bei dem mehrere Sinne und Talente angesprochen werden. Es schult das Auge und erfordert zugleich konzentriertes Arbeiten mit einer ruhigen Hand.
Der Clou dabei ist ganz klar, dass man einen Stab erst dann in die Hand nehmen darf, wenn man sich für zwei Säulen zur Ablage entschieden hat. Dann folgen Emotionen von Sicherheit, Schadenfreude und Staunen.
Kurz vor knapp – ein Bauspiel mit Augenmaß im wahrsten Sinne des Wortes.
© 05.01.2021 Oliver Sack
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Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Zoch Verlag / Fotos: © Oliver Sack
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Der Einfachheit halber, verwende ich die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“