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Khôra spielt im antiken Griechenland, aber nicht in der griechischen Mythologie. Was bleibt dann? Troja, Sparta, Karthago? Nicht ganz, aber wir kommen der Sache näher. Es geht um Städte, deren Macht, Einfluss, den Sieg und die Niederlage. Wir repräsentieren also eine Stadt und versuchen diese zu Ruhm und Macht zu führen, koste es, was es wolle. In diesem Spiel gibt es also nur zwei Möglichkeiten. Der Aufstieg des eigenen Imperiums oder Fall in die Bedeutungslosigkeit. Das Besondere an diesem knallharten Strategiespiel sind aber die verhältnismäßig einfachen und überschaubaren Spielregeln. Der Rest ist eine große Herausforderung.
Name: Khôra
Für 2-4 Spieler, ab 12 Jahre
Autoren: Head Quarter Simulation Game Club
Illustration: David Chapoulet & Jocelyn Millet
Verlag: Iello
Vertrieb in D: Huch (Hutter Trade)
Spieldauer: 75-90 Minuten
Platzbedarf: ca. 90×90 cm
Verlagstext
Du bist der Herrscher einer prachtvollen Stadt im antiken Griechenland. Es liegt an dir, deine Stadt schneller und besser zu entwickeln als deine Gegner! In jeder Runde gibt es große politische Entscheidungen zu treffen: Politik, Wirtschaft, Militär, Kultur … Jede einzelne Entscheidung wird die Zukunft deiner Stadt beeinflussen! Lenke die Geschicke deines Volkes, baue dein Militär aus, lasse deine Kultur erblühen, erhebe Steuern und entwickle wichtige Errungenschaften, auf dass der Glanz deines Stadtstaates über die Grenzen hinaus das antike Griechenland erleuchten wird!
Khôra ist ein intensiver und vielschichtiger Wettlauf um den Aufstieg eines Imperiums und die Vorherrschaft in der antiken Welt. Wird dein Stadtstaat ruhmreich in die Zukunft blicken?
Quelle: www.hutter-trade.de
Das Spiel
Spieler-Bereich
Jeder Spieler bekommt ein Spielertableau und dazu eine Stadt-Tafel, diverse Marker, Würfel und Aktionsplättchen. Auf dem Spielertableau zeigen drei Leisten die jeweilige Stufe in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Militär. Außerdem, und das ist sehr hilfreich, zeigt das Tableau die 7 Phasen eines Spielzugs samt kurzer Beschreibung.
Die Stadt-Tafel, die sich ein Spieler ausgesucht hat, zeigt die vier möglichen Entwicklungsstufen der Stadt. Diese bieten jeweils beim Erreichen einer Stufe Vorteile. Diese Vorteile können einmalig und sofort, dauerhaft oder erst bei Spielende zum Tragen kommen. Dabei ist es jedem Spieler selbst überlassen, ob er diese Stufen alle nutzt oder seinen Fokus auf andere Dinge setzt.
Komplettiert wird das eigene Spielmaterial noch durch Handkarten (Politik-Karten), die wie beim Stadttableau einmalige oder dauerhafte Vorteile bringen oder bei Spielende für zusätzliche Punkte sorgen können.
Haupt-Bereich
Der Haupt-Spielplan in der Tischmitte ist unterteilt in zwei Bereiche. Hier wird auf vier weiteren Leisten festgehalten, wie sich Bevölkerung, Steuereinnahmen, Ruhm und Truppenstärke entwickeln. Auf der zweiten Hälfte des Plans liegen Wissensmarker in drei Bereichen aus. Hier können Wissensmarker erworben werden, die entweder während des Spiels von Vorteil sind oder bei Spielende die Punkteverteilung maßgeblich beeinflussen. (Tipp: Man kann nie genug davon haben.)
Neben dem Spielplan liegen dann noch (wie so oft) weitere Marker und Münzen als allgemeiner Vorrat bereit.
Spielablauf
Ich möchte jetzt nicht auf alle Details des Ablaufs und den Regeln eingehen, dafür gibt es ja die Spielregel, die wirklich einfach und übersichtlich ist. Alles jetzt hier noch einmal durchzukauen, wäre zu viel. Daher beschränke ich mich auf eine kurze Erklärung anhand der 7 Spielphasen (A…G) einer Runde.
Phase A
Hier wird eine Ereigniskarte vorgelesen, die aber meist erst in Phase F ausgeführt wird. Man hat also jetzt die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten und seinen Spielzug in Richtung dieses Ereignisses zu planen.
Phase B
Die Steuer-Phase. Jetzt bekommt jeder etwas Geld, je nachdem, wo der eigene Marker auf dem Haupttableau im Bereich Steuer liegt. Dies ist zu Beginn einer Partie meist gar nichts. Auch später kommt hier nicht wirklich das zusammen, was man gerne hätte. Stichwort: Mangelwirtschaft.
Phase C
Würfeln und die zwei geworfenen Würfel jeweils einem der eigenen Aktionsplättchen zuordnen. Das bestimmt jetzt die eigenen Aktionen, die man in diesem Spielzug durchführen will.
Phase D
Auswerten und durchführen der gewählten Aktionen. Dies kann bis auf wenige Ausnahmen parallel von allen Spielern durchgeführt werden. Einzig bei der Militär-Aktion, bei der man Wissensmarker vom Haupt-Tableau erhält, ist die Reihenfolge (Startspieler) wichtig.
Phase E
Jetzt können wir auf unserem Spieler-Tableau die Bereiche Wirtschaft, Kultur und/oder Militär weiter ausbauen. Vorausgesetzt, man hat dazu das nötige Kleingeld. Gleichzeitig werden je nach Stufe verschiedene Boni ausgelöst. Abhängig davon, welchen Bereich man soeben erhöht hat.
Phase F
Das Ereignis aus Phase A wird ausgeführt. Dies kann Vor- oder Nachteile bringen für alle oder für einzelne Spieler. Manchmal passiert auch nichts.
Phase G
Errungenschaften. Im Spiel gibt es insgesamt fünf Errungenschaften, die man erreichen kann. Für jede gilt, wer sie zuerst erreicht, bekommt einen Bonus. Wer später kommt, geht leer aus. Meist sind diese Errungenschaften bestimmte Stufen/Felder auf einer der Leisten auf dem Haupt- oder Spielertableau.
Nach der Phase G endet eine Runde und die nächste Runde beginnt wieder bei Phase A. Nach neun Runden ist Schluss. Jetzt folgt nur noch eine kurze Schlusswertung, bei der ein großer Teil der Siegpunkte verteilt wird und über Sieg und Niederlage entscheidet.
Unsere Erfahrungen und Eindrücke
Was uns absolut begeistert bei diesem Kenner-/Expertenspiel, sind die Spielregeln. Die 7 Phasen sind sehr verständlich und logisch. Bereits nach wenigen Runden ist der Spielablauf absolut klar. Was nicht klar ist, ist die Frage der Taktik, um sein Ziel zu erreichen. Auch wenn man sich zu Beginn des Spiels eine grobe Strategie zurechtlegt, muss man von Runde zu Runde neue Entscheidungen treffen, von Wegen abweichen und kurzfristig neue Wege finden. Dabei ist nicht nur Improvisationstalent gefragt, sondern auch Beobachtungsgabe. Was machen meine Gegner? Wo können sie meine Wege kreuzen, wo beeinflussen oder gar sabotieren?
Auch wenn jeder für sich spielt, so ist es doch absolut notwendig, immer das gesamte Spiel im Auge zu behalten. Viele kleine Dinge können am Ende die Entscheidung bringen.
Die grundsätzliche Marschrichtung geben wir uns aber selbst vor und ist stark abhängig von den ersten fünf Handkarten die man bekommt und von der gewählten Stadt. Nach diesen beiden Dingen richtet man seine Strategie aus. Das kann dazu führen, dass man sogar auf die Weiterentwicklung in einzelnen Bereichen völlig verzichtet und andere Bereiche umso mehr in den Fokus rückt. Einzig der Bereich „Truppenstärke“ darf nie vernachlässigt werden. Das wäre der vorprogrammierte Untergang der eigenen Zivilisation. Klingt hart, aber darauf zielt der gesamte Mechanismus ab.
Fehler die man machen kann
Ein großer Fehler, den man begehen kann, ist das Jammern über die Würfel. Ja, ein Würfel gibt an, welche Aktionen ich machen kann. Sich aber darauf zu stützen ist fatal. Man sollte immer die Wahl der Aktionen in den Vordergrund stellen und die Würfel nur als Teil der Bezahlung dieser Aktionen nutzen. Da die Augenzahl eines Würfels immer höher sein sollte (nicht muss) als die Zahl auf dem Aktionsplättchen, ist man nicht immer eingeschränkt. „Fehlende Würfelaugen“ können recht bequem über die Stärke auf der Bürger-Leiste kompensiert werden. Das gilt es taktisch zu nutzen, was gerade Neueinsteiger bei Khôra schwerfällt.
Dabei ist es immer anzustreben, eine mittlere bis hohe Truppenstärke zu erreichen. Dafür können lukrative Erkundungen (Erhalt von Wissensmarker) durchgeführt werden, die wiederum bei Spielende sichere Punkte bringen. Da ein Teil der Wissensmarker mit der bei Spielende erreichten Stufe auf der Ruhmesleiste multipliziert werden, können hier schnell einmal 50 Punkte und mehr zusammenkommen, was wiederum über 50 % der gesamten Punktzahl eines Spielers ausmachen kann, während die restlichen 50 % sich auf mehrere Bereiche/Wertungen verteilt.
Alles in allem gibt es also wieder viele Stellschrauben und kleine Zahnrädchen, die es mit viel Übersicht zu kombinieren gilt. Nichts für zwischendurch und nichts für Gelegenheitsspieler. Khôra ist ein kleines, feines Uhrwerk.
Zahl der Mitspieler
Khôra hat uns gerade in der Partie zu dritt am besten gefallen. Zu zweit ist es ein Schlagabtausch, bei dem wir einen gewissen Kick vermissen. Zu viert zieht es sich zu sehr in die Länge und die eigenen Vorhaben werden unberechenbarer. Zu sehr ist man abhängig von Spiel-Reihenfolge und Würfelglück. Aber wie gesagt, zu dritt gefällt uns Khôra am besten.
Fazit
Khôra ist ein knallhartes Strategiespiel und nichts für den Gelegenheitsspieler, auch wenn die Regeln einen einfachen Einstieg vermuten lassen. Die eigentliche Tiefe des Spiels und die möglichen Strategien erschließen sich hier nicht nach der ersten Partie.
Und dann war da noch …
… ein Chatverlauf vor ein paar Wochen zwischen mir und Georgios Panagiotidis (von www.spielbar.com). Wir haben ein wenig über unsere Eindrücke zu Khôra geplaudert.
Oliver (Spielevater.de): Ich bin ratlos! Hatte 2x einen 6er-Pasch, 2x 6&5 und Petra 2x 1er-Pasch und 1x 1&2. Dennoch lief sie mir davon. Am Ende war es ein 19 zu 46.
Georgios: Auf die Würfel kommt es halt nicht wirklich an. Alles eine Frage der Karten und des strategischen Könnens.
Oli: Perfekt erfasst! Und bei den Regeln gilt wirklich „weniger ist mehr“. Und man benötigt die Kunstfertigkeit, aus Stroh, Gold zu machen mit den Handkarten.
Aber ich bin voll deiner Meinung. Khôra ist ein knallhartes Strategiespiel und nichts für den Gelegenheitsspieler, auch wenn die Regeln einen einfachen Einstieg vermuten lassen.
Bleibt nur die Frage: Hast du den 90er Chip schon benötigt?
Georgios: 1x hab ich es bisher geschafft.
Oli: Glückwunsch. Bei der Interaktion bin ich nicht ganz überzeugt. Die gibt es ja eher nicht.
Georgios: Die findet erst auf sehr hohem Niveau auf eine Art statt, die man berücksichtigen muss. Also wenn es darum geht, Errungenschaften zu holen oder eben bestimmte Erkundungen zu machen, mit denen man sich Boni holt. Aber auf dem Level spiele ich auch noch nicht.
Dieser enge Wettlauf um Vorteile erinnert mich lustigerweise an Civilization (2010). Das spielt sich ab einem bestimmten Erfahrungsstand auch wie ein Wettlauf ab.
Oli: Hab bisher nur zu zweit gespielt. (Und nicht alles verloren) Hoffe demnächst mal zu dritt zu spielen.
Georgios: Das Wehklagen über die Würfel ist in der Gruppe zumindest sehr viel lustiger.
Oli: Vor allem wenn in derselben Runde (so wie heute), Petra den 1er-Pasch und ich den 6er werfe.
Georgios: Ich glaube der erste Eindruck ist immer, dass die Würfel alles entscheiden aber das glaube ich gar nicht mal. Je nachdem welche Karten man auf der Hand hat und wie man diese einsetzen will, hat man oft Phasen in denen die Würfel eher nebenher laufen.
Oli: Ja genau. Man muss sich eben „überwinden“, die Bürger zu „benutzen“ statt sie Richtung 15 zu ziehen. Es sind „nur Bürger“! – du weißt wie ich meine.
Georgios: Das auch. Sparsam muss man nur sein, wenn man A die Errungenschaft holen will oder B eine Zielkarte hat, die einem dafür Punkte bringt.
Oli: Im Falle B gibt es ja nur eine!
Georgios: Genau.
Georgios: Im Übrigen ist das Design echt sehr schön eng und elegant ohne „bestrafend“ zu sein. Das sagt mir sehr zu.
Oli: Uns gefällt die schlichte, schlanke Schlusswertung. Keine Punkteorgien auf Wertungsblöcken mit X Kategorien. Siegpunkte und gut iss
Georgios: Es hilft, dass man eben in der Hand hat, wofür es Punkte gibt statt dass es „fair“ für alle die gleichen Punktequellen gibt.
Oli: Eigentlich schade, dass wir gleicher Meinung sind. Hätte eine tolle Streit-Kolumne geben können.
Georgios: Ich denke, es gibt genug Stimmen, die das Spiel eher durchschnittlich fanden. (Ein Freund zum Beispiel). Wir haben Khôra am gleichen Abend mit Rote Kathedrale gespielt und das tickt halt ganz anders, aber schien dort besser zu punkten.
Oli: Die beiden Spiele kann man aber nicht vergleichen.
Georgios: Wenn man sie verstanden hat, ja. Aber wenn man halt nur einen kurzen Blick drauf wirft, sind’s halt „typische Eurogames“ und da ist die Rote Kathedrale halt vertrauter und einfacher. Also einfacher zu verstehen.
Oli: In 6 Monaten wird man Khôra als unterschätzt und Rote Kathedrale als überschätzt einordnen. Hab ich so im Gefühl.
Georgios: Vielleicht. Ich mag sie beide aber aus sehr unterschiedlichen Gründen. Und Khôra schon ein wenig mehr.
Oli: Ich bin für beide Spiele zu haben, da sie für mich unterschiedlich genug sind und so auch unterschiedliche Herausforderungen an mich als Spieler stellen.
Euch ist eine Meinung nicht genug?
Schaut doch mal bei den lieben Kollegen vom Beeple-Netzwerk nach. Vielleicht findet ihr unter www.beeple.de noch die eine oder andere Meinung zu diesem Spiel.
Alternativ könnt ihr immer gerne auch auf unserem und auf dem Discord-Server vom Beeple-Netzwerk nach weiteren Meinungen suchen.
© 06.03.2022 Oliver Sack – Abbildungen der Spiele und Regelauszüge ©Iello / Huch / Fotos: © Oliver Sack
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Sehr schöner Einstieg wieder. Finde es toll wie du die Begeisterung rüber bringst.
Mein Lieblingsspiel wird es zwar nicht, aber ich fand es überraschend gut, da man ja auf anderen Kanälen immer nur gehört hatte es sei reine Leistenschieberei, bin ich froh es getestet zu haben. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht und die Optimiererei hat mir am besten gefallen. Da lässt sich in weiteren Partien noch viel rausholen.