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Drei Würfel und eine Wassermelone
Vergangenen Sonntag war es endlich soweit. Von vielen in der Szene sehnlichst erwartet wurden die Preisträger zum Spiel des Jahres, Kinderspiel des Jahres und Kennerspiel des Jahres 2024 verkündet, um so auch mit nur einem Schlag all die Spekulationen, Wünsche oder Ängste zu den Nominierungen zu zerschlagen. Klar gibt es auch in diesem Jahr wieder Stimmen, die sich gegen oder hinter die Juryentscheidung stellen. Und es wird wie gewohnt fleißig diskutiert. Darunter auch wieder die völlig unqualifizierten Meinungen wie „die Jury hat keine Ahnung!“. Ganz ehrlich, ich bin es leid, mich jedes Jahr darüber aufzuregen. Wer immer noch denkt, die eigene Meinung müsse auch die Meinung einer unabhängigen Jury sein, der hat entweder ein Problem mit dem eigenen Ego oder die Person hat es einfach noch immer nicht verstanden. Wer also denkt, die Jury mache eh alles falsch, der soll einfach die Jury, ihr Tun und ihre Entscheidungen, ignorieren. Dann haben beide Seiten etwas davon.
Ich kann dieses Jahr wieder gut mit dem Ergebnis leben, hab ich doch zwei von drei Titeln richtig getippt. Zugegeben, das war auch nicht schwer und die Wahrscheinlichkeit war hoch. Obwohl beim Spiel des Jahres war ich dann doch etwas nervöser, ob der Favorit wirklich seine Favoritenrolle behaupten kann. Schließlich gab es hier ein paar virale Argumente, die für einen anderen Nominierten sprachen um auf diesen zu tippen. Egal. Jetzt ist es so, wie es ist und ich finde das gut.
Leider gab es bei der Verleihung einen Vorfall, der mich dazu veranlasst hat, erst einmal ein paar Tage alles sacken zu lassen und mir Gedanken zu machen, wie ich die diesjährige Preisverleihung kommentieren soll. Doch dazu später mehr. Jetzt erst einmal zu den Preisträgern 2024.
Kinderspiel des Jahres 2024
Kinderspiel des Jahres 2024 wurde „Die magischen Schlüssel“ von Markus Slawitscheck und Arno Steinwender, erschienen bei Game Factory.
Gefällt uns und wir haben es mehrfach auch im Kindergarten von einer „sehr kritischen Jury“ testen lassen. Immer mit Erfolg. Die gute Mischung aus Glück und Risiko macht den Kindern Spaß. Manche gehen auf Nummer sicher und schnappen sich den nächstbesten Schlüssel, andere riskieren viel, um an den goldenen Schlüssel zu kommen, der im Gegensatz zu den anderen Schlüsseln im Spiel immer die Schatztruhe öffnet.
Im Grunde ist es nichts anderes als ein Laufspiel, um es mal wertfrei einzuordnen. Wer an der Reihe ist, würfelt mit drei Würfel und zieht dann die Spielfigur auf dem Weg zum Schloss vorwärts. Dabei können Würfel auch „einschlafen“ und kommen vorerst aus dem Spiel. Würfel, die eine Zahl anzeigen, können genutzt werden, um sich zu bewegen. Da immer nur ein Würfel genutzt werden kann, muss bereits jetzt ein wenig taktiert werden. Wie weit will man laufen? Will man sofort einen Schlüssel haben oder doch lieber zocken, um an bessere Schlüssel zu kommen. Denn der Weg zum Schloss und zum goldenen Schlüssel ist weit, obwohl es unterwegs noch andere Schlüssel zu ergattern gibt. Doch welcher Schlüssel ist auf dem Weg der richtige? Welcher öffnet die Schatztruhe, welcher nicht.
„Die magischen Schlüssel“ ist definitiv mehr als „nur“ ein Laufspiel und macht richtig Spaß. Ein tolles Kinderspiel und ein verdienter Preisträger.
Herzlichen Glückwunsch an die Autoren Markus Slawitscheck und Arno Steinwender, sowie den Verlag Game Factory
Nominiert waren ausserdem
Große kleine Edelsteine von Wolfgang Warsch (Schmidtspiele)
Taco Katze Pizza Junior von Dave Campbell und Thierry Denoual (Blue Orange)
Auf der Empfehlungsliste sind
Fluffy Valley von Maxime Rambourg und Théo Rivière (Loki)
Lecker Lava von Sophia Wagner (Drei Magier)
Die Nadel im Heuhaufen von Thomas Sellner (Schmidtspiele)
Spiel des Jahres 2024
Spiel des Jahres 2024 wurde „Sky Team“ von Luc Rémond, erschienen bei Scorpion Masque und Kosmos.
Mein Wunschkandidat und mein Favorit hat sich durchgesetzt, obwohl ich skeptisch war. Würde die Jury ein reines zwei Personen Spiel mit dem roten Pöppel auszeichnen, der doch eigentlich immer der Inbegriff für Familienspiele war? Ja, die Jury kann! Und das auch nicht ganz zum ersten Mal. Es ist zwar eine Prämiere, dass ein Zweierspiel den Titel tragen darf, aber 2005 war mit „Jambo“ (Rüdiger Dorn, Kosmos) erstmals ein reines Zwei Personenspiel nominiert. Ob und wie sich „Sky Team“ jetzt auf dem Markt und vor allem beim traditionellen Pöppel-Siegel-Weihnachtsgeschäft behaupten kann, bleibt abzuwarten. Auch wenn ich „Sky Team“ sehr mag, hab ich doch ein wenig Zweifel, ob die Zielgruppe damit klar kommt. Man wird sehen.
Ich habe mich ja bereits ausführlich mit dem Spiel beschäftigt und bin wie gesagt begeistert. Das Thema ist super umgesetzt und es macht richtig Spaß, die Vögel auf den unterschiedlichen Flughäfen zu landen und dabei immer wieder neue Herausforderungen zu bewältigen. Ein Spielgefühl, wie ich es zuletzt beim Kennerspiel 2021 „Paleo“ (Hans im Glück) hatte.
Ob „Sky Team“ jetzt wirklich ein Familienspiel oder doch eher ein Kennerspiel ist, ist schwer einzuordnen. Sicherlich ist die Einstiegshürde etwas höher, aber es ist gut machbar. Einzig vielleicht der Faktor „zwei Spieler“ ist hier zumindest einmal gewöhnungsbedürftig.
Herzlichen Glückwunsch an Luc Rémond und die Verlage Scorpion Masque und Kosmos.
Nominiert waren ausserdem
Auf den Wegen von Darwin von Grégory Grard und Matthieu Verdier (Sorry We Are French)
Captain Flip von Paolo Mori und Remo Conzadori (PlayPunk)
Auf der Empfehlungsliste sind
Ghost Writer von Mary Flanagan und Max Seidman (Pegasus Spiele)
Harmonies von Johan Benvenuto (Libellud)
Passt nicht! von Thomas Weber (Schmidt)
Schätz it if you can von Ralf zur Linde (Moses)
Trekking – Reise durch die Zeit von Charlie Bink (Game Factory)
Trio von Kaya Miyano (Cocktail Games)
Kennerspiel des Jahres 2024
Kennerspiel des Jahres 2024 wurde „e-Mission“ von Matt Leacock und Matteo Menapace, erschienen bei Schmidtspiele.
„War ja klar“, „War ja schließlich der haushohe Favorit auf den grauen Pöppel.“ Oder auch „Bei dem Thema konnte die Jury gar nicht anders.“ Das waren ein paar der Stimmen aus der Szene. Aber es gab auch Kritik, vor allem zu grafischer Gestaltung, dem Material und dem Preis von über 70 Euro.
Ja, das Thema bei „e-Mission“ könnte fast nicht aktueller sein und wie in der Realität ist es extrem schwer, den Weg zum Erfolg zu finden. Obwohl kooperativ, so kocht doch jeder sein eigenes Süppchen. Aber mit zunehmender Spielerfahrung wird einem sehr schnell klar, dass es mit Egoismus nicht funktioniert und man nur gemeinsam zu Ziel kommt.
Was uns besonders gut am Spiel gefällt, ist die Realitätsnähe und wie das globale Problem als Spiel umgesetzt wurde. Jetzt darf man aber nicht denken, „es ist doch nur ein Spiel“, nein, „e-Mission“ ist mehr. Es ist lehrreich und führt uns vor Augen, wie verzwickt und wie abhängig Dinge voneinander sind, die unser Klima im echten Leben schlicht vernichten! Lehrreich ist es auch, da jede Karte mit einem QR-Code ausgestattet ist, der zum einen Regelerklärungen zur Karte gibt, zum anderen interessante und wissenswerte Hintergründe zur Karte. So kann man sich zum Beispiel kurz erklären lassen, welche Probleme mit „Abholzung“, „Wasserverschmutzung“ oder „humanitärer Krise“ einhergehen.
Wer „e-Mission“ zum ersten Mal spielt, wird scheitern! Es braucht schon ein paar Partien, um sich mit seinen Mitspielern einzugrooven und einen möglichen Weg, eine mögliche Strategie zu finden. Da man jedoch meist sehr knapp scheitert und das Ziel vor Augen hat, ist der Wiederspielreiz höher als der Frust verloren zu haben. Auch das macht „e-Mission“ zu einem preiswürdigen Spiel.
Nominiert waren ausserdem
Die Gilde der fahrenden Händler von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert (Skellig Games / AEG)
Zug um Zug Legacy – Legenden des Westens von Rob Daviau, Matt Leacock und Alan R. Moon (Days of Wonder)
Auf der Empfehlungsliste sind
Bier Pioniere von Thomas Spitzer (Spielefaible)
Botanicus von Vieri Masseini und Samuele Tabellini (Hans im Glück)
Mischwald von Kosch (Lookout Spiele)
Ritual von Tomás Tarragón (Strohmann Games)
Herzlichen Glückwunsch an die Autoren Johannes Krenner und Markus Slawitscheck, sowie die Verlage 1 More Time Games und Z-Man Games.
Dann war da noch die Wassermelone
Unschön war ein Vorfall und Aufreger auf der Veranstaltung bei der Preisverleihung. Der Autor Matteo Menapace betrat die Bühne vor laufenden Kameras mit einem Sticker der eine Wassermelone mit dem Umriss von Israel und Palästina auf der Brust, zeigt. Die Wassermelone gilt als politisches Statement. Sie ist das Symbol pro-palästinensischer Proteste und kann darüber hinaus auch als antisemitisch interpretiert werden. (siehe Kasten unten). Was genau Matteo Menapace damit ausdrücken und bezwecken wollte, ist (noch) unklar. War er sich der Tragweite seines Handelns bewusst? Bisher liegt keine Stellungnahme Menapaces vor. (Stand 25.7.2024, 17:00 Uhr) Zu schwammig ist das Symbol in seiner tieferen Bedeutung. Fakt ist, es ist ein politisches Statement und es kann als antisemitisches Statement verstanden werden. Das darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben und gehört auch nicht auf die Preisverleihung zum Spiel des Jahres! Brettspielen ist ein Hobby für alle!
Mit der 2018 gegründeten Initiative „Spielend für Toleranz“ gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und für Toleranz, bezieht die Jury auch ganz klar Stellung. Die Initiative steht auch für Fairness, Respekt und Gleichheit. Daher ist es nicht verwunderlich und auch richtig, dass sich die Jury im aktuellen Fall klar positioniert hat. (Link zum Statement: https://www.spiel-des-jahres.de/preisverleihung-kennerspiel-des-jahres-2024/) In wie weit das Statement jetzt richtig, übereilt oder überzogen formuliert ist, möchte ich nicht beurteilen.
In einer ersten Reaktion meinerseits habe ich meine Rezension zu „e-Mission“ zunächst vom Netz genommen. Ich wollte abwarten, Fakten sammeln und für mich abwägen. Nach gründlicher Überlegung und Abwägung der bekannten Fakten habe ich entschieden, meine Rezension nicht zu löschen. Ich verurteile zwar ganz klar den Vorfall und finde das subtile Verhalten Menapaces in keiner Weise akzeptabel, aber ich sehe auch, dass es das Vorgehen und das Statement einer einzelnen Person ist. Dafür, das Spiel als Ergebnis einer Teamleistung abzustrafen, wäre falsch. Matt Leacock würde ebenso wie Schmidtspiele als Verlag mit abgestraft und das zu Unrecht. Und was ist mit den anderen am Spiel beteiligten Personen, zum Beispiel aus Redaktion und Grafik? Sollen Sie alle für das Handeln einer einzelnen Person abgewatscht werden? Nein! Das würde zu weit führen. Daher habe ich meine Rezension wieder zugänglich gemacht.
Nochmal: Was auch immer die Intention Menapaces war und was auch immer er ausdrücken mochte, ist ein absolutes No-Go und eine völlig inakzeptable Aktion! Andere jetzt dafür zu bestrafen wäre jedoch unfair.
Was aber bleiben wird, ist das G’schmäckle. „e-Mission“ wird fortan immer diesen kleinen Kratzer im Image haben, aber es wird mich auch bei jeder Partie daran erinnern, wie wichtig es ist, sich klar gegen Fremdenhass, Antisemitismus und Intoleranz zu positionieren.
Was genau bedeutet die Wassermelone?
Die genaue Interpretation des Symbols der Wassermelone hängt stark vom Kontext und der Absicht hinter der Verwendung des Symbols ab. Folgende Interpretationen sind daher möglich.
Wassermelone
Das Symbol der Wassermelone wird oft als ein allgemeines Zeichen der Solidarität mit der palästinensischen Sache verwendet. Der Grund dafür liegt in den Farben der Wassermelone (grün, weiß, rot und schwarz), die den Farben der palästinensischen Flagge ähneln. Diese Farben stehen für die palästinensische Identität und den Widerstand gegen die israelische Besatzung. In diesem Kontext ist die Wassermelone ein pro-palästinensisches Symbol und drückt Unterstützung für die Rechte und Selbstbestimmung der Palästinenser aus.
Wassermelone mit Umriss Israel/Palästina
Die Symbolkraft der Wassermelone mit dem Umriss von Israel und Palästina wird häufig genutzt, um die palästinensischen Gebietsansprüche auf das gesamte historische Gebiet Palästinas hervorzuheben. Es symbolisiert den Wunsch eines einzigen, vereinten Staates. Je nach Darstellung und Kontext kann dieses Symbol dann pro-palästinensisch oder aber auch antisemitisch interpretiert werden:
Pro-palästinensisch: Wenn das Symbol verwendet wird, um den Anspruch der Palästinenser auf das gesamte historische Gebiet hervorzuheben und ihre Forderungen nach Rückkehr, Freiheit und Selbstbestimmung zu unterstützen.
Antisemitisch: Wenn das Symbol verwendet wird, um die Existenz des Staates Israel zu leugnen oder abzusprechen, oder wenn es ausdrücklich und unverblühmt verlangt, Israel auszulöschen oder die israelische Bevölkerung zu vertreiben. Diese Darstellungen können aufgrund ihrer Infragestellung der Existenz und des Selbstbestimmungsrechts der jüdischen Bevölkerung in Israel als antisemitisch angesehen werden.
Fazit
Wie zuletzt 2024 hat die Jury wieder tolle Spiele auf der Empfehlungsliste und auf der Nominierungsliste keine Frage. Ebenfalls wie schon im Vorjahr hat die Jury wieder die Besten der Besten ausgewählt und prämiert. Sicher wird es auch in diesem Jahr über die Preisträger Diskussionen geben und nicht jeder ist wie wir mit der Wahl zufrieden, doch das ist OK. Freuen wir uns einfach über die Spiele und hoffen, dass die Diskussionen sachlich bleiben, denn eines ist klar, Geschmäcker sind verschieden! Unsere, Eure und die der Jury Mitglieder. Wir alle spielen gerne und jeder hat seine Vorlieben und Abneigungen.
Links
Mein Kommentar zu den Spiel des Jahres Preisträgern 2024 – 24.07.2024 – Oliver Sack