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Zu Gast bei HUCH!-Spiele
Ich bin in Günzburg. Nein, nicht bei den bunten Kunststoffsteinen, es zieht mich in die Innenstadt. Hier soll sie sein, die „Hutter-Allee“, wie sie von den Mitarbeitern liebevoll genannt wird. Und ich weiß jetzt auch warum. Ich komme in eine schmale Straße und direkt vor mir die Hutter-Geschenk-Boutique, gefolgt von der Hutter-Buchhandlung. Im Anschluss daran eine unscheinbare Tür des HUCH!-Spieleverlags. Ein paar Meter weiter ein Neubau mit Reklame „Spieleverlag“. Hier bin ich richtig und ich werde schon erwartet. Andrea Stadler, verantwortlich für Marketing und PR hat sich heute für mich Zeit genommen.
Los geht es mit einer kleinen Führung durch das Verlagsgebäude. Viele schmale Gänge, niedere Türen und verwinkelte Räume, Büros. Sehr charmant und heimelig. Es ist das Elternhaus vom Verlagsgründer Hermann Hutter. Andreas Büro ist unterm Dach und es ist sehr warm – nicht nur draußen. Kurzerhand verlegt sie deshalb unser Meeting vom PR-Büro in die Redaktionsräume im angrenzenden Neubau. Dort ist es wesentlich angenehmer. Zuvor aber noch ein Abstecher zum Ersatzteilversand. Hier werden bisweilen komplette neue Spiele geöffnet, um Einzelteile zu entnehmen. Der Rest wandert in viele kleine Kisten. Griffbereit für den nächsten „Notfall“. Es ist in der Tat ein sehr aufwendiger Service, das ist nicht zu übersehen.
Jetzt aber schnell weiter zu den Redaktionsräumen, schließlich will ich jetzt Spiele sehen. Wir schnappen uns einen Tisch in der Redaktion und es geht los. Nach ein wenig Warm-Up-Smalltalk über die diesjährigen Spiel-des-Jahres Preisträger kommen wir zu dem, was mich heute so brennend interessiert: Den Sommer- und Herbstneuheiten 2018.
Den Anfang macht „Cat Stax“ (für 1 Spieler, ab 7 Jahren) ein Knobel-Logik-Spiel, bei dem katzenförmige Teile gemäß Vorlage zusammengelegt werden. Der Grundmechanismus erinnert dabei ein bisschen an „Ubongo“.
Weiter geht‘s mit „Die kleine Hexe“. Es gibt gleich zwei verschiedene Kinderspiele zum diesjährigen Kino-Start der kleinen Hexe von Otfried Preussler. In Szene gesetzt hat das Spiel Kai Haferkamp, der zuletzt für HUCH! auch das Spiel zu „Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt“ (2017) entwickelt hat.
Bei „Die kleine Hexe – Das verdrehte Memo-Spiel“ fliegt die kleine Hexe über einem 3D-Aufbau. Unten dreht sich simultan und schnell, ein kleines Rad. Dieses gilt es jetzt für den aktiven Spieler im richtigen Moment zu bremsen, damit die kleine Hexe oben, auf dem hoffentlich gewünschten Symbol zum Stehen kommt. Jeder Spieler sucht allerdings ein anderes Symbol, nämlich das, was auf seiner Spielertafel für den nächsten Schritt seiner Hexe gesucht ist.
Noch aktiver wird es mit „Die kleine Hexe – das turbulente Flug- und Suchspiel“. Bevor das Spiel losgeht, werden Plättchen mit „Guten Taten“ im Raum (ja, im Raum, Zimmer, Wohnung,…) verteilt. Dann wird eine Karte umgedreht und zeigt damit an, welches Plättchen im Raum jetzt eingesammelt werden muss. Ziel ist es, gemeinsam alle 12 Plättchen im Raum zu sammeln, bevor die Sanduhr abläuft. Dann haben alle, wiederum gemeinsam, gewonnen. Ein schönes Kinderspiel, bei dem Bewegung durchaus erwünscht ist. Drinnen und draußen spielbar.
Weiter geht es mit dem diesjährigen, „großen“ Familienspiel. „Outback“ (2-4 Spieler, ab 8 Jahren) von Erfolgsautor Michael Kiesling, der ja gerade mit seinem „Azul“ den diesjährigen „Spiel des Jahres“-Preis abgeräumt hat. „Outback“ ist ein familientaugliches, taktisches Legespiel, bei dem auch ein wenig Würfelglück erforderlich ist. Bis zu drei Mal darf gewürfelt werden, um entsprechend dem Würfelergebnis Tierplättchen auf das eigene Spielertableau zu legen. Je mehr desto besser, denn für jedes Tier, welches neu hinzu kommt und für Tiere derselben Art, die schon auf dem Tableau liegen, gibt es Punkte. Diese Punkte werden auf einer Punkteleiste separat, für jede Tierart, abgetragen. Der Clou, am Ende des Spiels werden die Punkte des vordersten und der drei hintersten Tierarten addiert. Der Rest ist irrelevant. Nicht einfach, aber auch nicht sonderlich kompliziert. Alles in allem ein schönes Familienspiel.
Ebenfalls als Familienspiel eingestuft, oder für lustige Runden, das „Hast du Worte – Würfelspiel“ (2-6 Spieler, ab 10 Jahren). Das Würfelspiel knüpft an den erfolgreichen Klassiker „Haste Worte“ an. Allerdings geben jetzt die Würfel vor, zu welcher Kategorie hier Begriffe gefunden werden müssen.
Aber auch im Ablauf gibt es eine Änderung, denn nicht alle Punkte sind sicher. Mitspieler können Begriffe streitig machen und damit das Punkten verhindern.
Das nächste Familienspiel, ein Quizspiel, lässt mir persönlich den kalten Schauder-Schweiß über den Rücken laufen. Vor mir steht ein klobiger, batteriebetriebener Plastik-Berg – und er spricht mit mir! Es sieht aus, wie ein Retro-Tischmikrofon und ist der Quizmaster. Der „Sound Jack“ hat über 400 Sounddateien aus 25 Kategorien (darunter Filme, Shows, Promis, Tiere, Orte, Songs, …) in seinem Repertoire. Wer einen Soundschnipsel erkennt, buzzert und erhält, wenn es richtig ist, den Punkt. Ein witziges Quizspiel, nicht nur für die Familie. Sound Jack, für 2-5 Spieler, ab 8 Jahren. Mehr als 5 Spieler können natürlich auch als Team agieren, was die Spielerzahl auf 10 und mehr anhebt. Nervig wird höchstens der Demo-Modus für den Spielwarenverkäufer.
Jetzt kommt ein Spiel auf den Tisch, bei dem ich vermute, der Verlag will mich in den Wahnsinn treiben! „Twin it!“ (2-6 Spieler, ab 6 Jahren). 135 kleine quadratische Karten, beidseitig unterschiedlich bedruckt, bieten 119 verschiedene Motive. Viele sehen gleich aus, aber es gibt meist nur 2er oder 3er Paare (3er Paare? Ja, 3er Paare, oder besser gesagt, Drillinge). Somit sind es eigentlich 270 Karten. Das ganze kommt in einer schönen Blechbox, ideal für unterwegs.
Wir spielen es zu zweit kurz an und ich sehe Paare, wo keine Paare zu sehen sind. Manche Motive sind sich so unglaublich ähnlich, dass man schnell den Überblick verliert. Dazu kommt, dass man offen liegende Paare in der Fülle der ausliegenden Karten gar nicht entdeckt. Dabei ist es zu Beginn noch sehr übersichtlich. Jeder Spieler startet mit einem Stapel Kärtchen und legt eines in die Tischmitte. Dann kommt der/die Mitspieler, jeder legt eines dazu. Liegt ein Pärchen aus, draufhauen und kassieren. Liegt kein Pärchen, geht es weiter. Der Tisch wird voller und voller und immer unübersichtlicher. Die vielen Muster beginnen vor meinen Augen zu tanzen. Aber, ich hab sehr viel Spaß dabei. Andrea gewinnt, knapp, aber sie hat ja auch schon Übung. Um mich dann aber endgültig zu demütigen, führt sie mich an ein DIN A1 Plakat, voll mit den Mustern des Spiels. „So Oli, hier hat jeder Blogger 10 Minuten Zeit, Paare zu finden – es sind übrigens 5!“ – OK, Minuten später die Erkenntnis: ich habe auf ganzer Linie versagt und frage mich immer noch, ob da wirklich Paare drauf sind. Ich bekomme eines der Plakate, so kann ich in Ruhe nachzählen. Wehe es stimmt nicht!
Update: Heute, genau 3 Tage nach meinem Besuch, habe ich bereits das erste (!) Pärchen gefunden. Ich bin mit mir sehr zufrieden. (Meine Tochter hat alle fünf nach knapp 10 Minuten gefunden. Papa ist stolz.)
„Twin it!“ ist bereits jetzt eines meiner Sommer-Highligts bei den kleinen, schnellen und lustigen Spielen. Daumen hoch vom Spielevater!
Bevor die Zeit meines Besuchs vorbei ist, noch ein Highlight. Diesmal aus der Kategorie „Kenner-Strategie-Spiel“. Der finale Prototyp vom neuen Stefan Feld, „Forum Trajanum“ (2-4 Spieler, ab 12 Jahren) liegt vor mir. Sieht schon als Prototyp echt gut aus. Wir wollen es zu zweit jetzt anspielen. Andreas Kollegin Britta, die auch schon „Rajas of the Ganges“ und „Ulm“ redaktionell betreut hat, baut auf und erklärt uns den wesentlichen Spielablauf. Alles klingt recht einfach, aber ich merke schon, das Stefan Feld uns hier einige Dilemmata bereithält. Den Zugablauf habe ich sofort verstanden, alles scheint gar nicht so kompliziert. Aber ich habe auch gleich gemerkt, und das ist typisch Stefan Feld, ich kann nicht alles machen, was ich will und was ich möchte. Ich sehe die Felle davonschwimmen. Einfache Zugelemente verschmelzen mit raffinierten Zusammenhängen in einem fein verzahnten System. Man spürt förmlich die Varianz die dahinter steckt. Ich freue mich schon riesig auf Essen, dort soll es dann erhältlich sein. Begeistert bin ich jetzt schon.
(Prototyp – Material nicht final, Änderungen vorbehalten)
Nach einer von drei Runden brechen wir ab, Andrea muss auf den Zug zurück nach Stuttgart. Sie hat zu diesem Zeitpunkt ein paar Punkte mehr als ich, aber ich wollte ohnehin erst in Runde 3 meine Strategie-Bombe platzen lassen. Wir einigen uns auf Unentschieden – sehr diplomatisch.
Schade, dass 2,5 Stunden so schnell vorbei gehen, aber ich bin glücklich. Ich habe einen tollen Einblick erhalten und tolle neue Spiele kennengelernt, auch wenn die Zeit für weitere Titel, wie zum Beispiel von IELLO nicht da war. Aber das holen wir in Essen nach. Versprochen!
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Andrea, der Redaktion und dem ganzen HUCH!-Team recht herzlich bedanken für die tollen Eindrücke die ich sammeln durfte. Den gemeinen Homo Ludens erwartet auch aus dem Hause HUCH! wieder ein tolles Programm für jeden Geschmack.
So, das war’s. Ich hoffe der kleine Einblick war interessant und nicht zu lang. Ihr dürft wieder spielen gehen und ich lege mich wieder vor das Twin-it-Plakat ….
05.08.2018 (c) Oliver Sack, spielevater.de
Fotos: (c) Oliver Sack, mit freundlicher Genehmigung von Hutter Trade GmbH + Co KG / HUCH!