Titel Domino in Kuba

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Die Reportage über Domino, dem „Volksspiel“ in und auf Kuba, begann mit dem Klischee-Spruch „Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben“ – meist ungeplant zwar, in unserem Fall aber geplant. Wobei es anfangs wirklich nur vage geplant war, da wir nicht wussten, ob wir unseren Plan in die Tat umsetzen werden können. Die Idee: etwas über die Spielkultur in Kuba zu erfahren, in der Hoffnung, die Ergebnisse würden für eine kleine Reportage ausreichen – Und wir wurden nicht enttäuscht.

ChevroletUnser privater Tour-Guide Yane und unsere Fahrer vor Ort, Roberto und Lázaro, haben uns mit Informationen zum Volkssport Nummer Eins in Kuba, richtig gut versorgt. Meist haben wir dafür die Fahrten in „unserem“ Chevrolet Bel Air (Baujahr 1956) oder dem 1957er Ford Fairlane genutzt, um mehr über Domino in Kuba zu erfahren. Die Fahrer waren es auch, die uns zu den Domino Hot Spots gebracht haben um Bilder zu machen und mit den Spielern zu sprechen. Obwohl Kuba in unseren Gefilden meist mit Rum und Zigarren assoziiert wird, ist Domino der eigentliche Held im Alltagsleben Kubas.

Auf Kuba wird wirklich immer und überall sehr gerne Domino gespielt. Bei jeder Gelegenheit, zu jeder Zeit. Meist wird nachmittags und nach dem Abendessen gespielt. Dann treffen sich jung und alt, Männlein und Weiblein, meist zu Hause, bei Freunden, am Strand, in Cafés oder auf der Straße. Letzteres war gerade auch für mich als Hobbyfotograf ein gefundenes Fressen. Auch gibt es unter den Spielern keine sozialen Abgrenzungen. Am Dominotisch sind alle gleich, egal ob Plantagenarbeiter, Hotelmanager, Arzt oder Hausfrau. Denn, in Kuba gilt grundsätzlich: Wenn man mit Freunden etwas unternimmt, muss ein Domino dabei sein! Ohne geht gar nicht!

Wer jetzt denkt, Domino ist doch ein alter Zopf, den niemanden mehr so richtig interessiert, der irrt. Wer glaubt, die Regeln seien doch banal und überall gleich, der ist ebenfalls auf dem Holzweg. Denn die Spielweisen in Kuba und in der Karibik, unterscheiden sich von den Regeln, die wir in Europa kennen. (siehe: Fédération Internationale de Domino „FIDO“).

Wie wird in Kuba gespielt?

Domino SpielerDie häufigste und beliebteste Variante nach unseren Recherchen, ist das Spiel im Team, Zwei gegen Zwei. Diese Variante ist sicher auch die mit der meisten Strategie und Taktik, aber auch die mit den größten Emotionen. Sie erfordert zudem Erfahrung und einen Teampartner, mit dem man sich gut versteht. Ein gutes Auge für Körpersprache mit ihren subtilen Signalen, ist ebenfalls sehr hilfreich.

Wir berichten daher im Folgenden nur über die Teamvariante „Zwei gegen Zwei“ mit Neuner-Steinen.

Spielbeginn

Zu Beginn werden die Steine verdeckt auf der Spielfläche gemischt und jeder Spieler nimmt sich 10 Steine. (Bei 6er Steinen nur sieben Steine) Der Rest wird nicht benötigt und, anders als bei uns, beiseite gelegt. Ein Startspieler für die erste Runde wird ausgelost. Ab der zweiten Runde beginnt immer ein Spieler des siegreichen Teams der Runde zuvor. Traditionell werden übrigens ab der zweiten Runde die Steine nur vom unterlegenen Team gemischt.

SpielszeneDer Startspieler spielt einen Stein in die Spielfläche. Reihum, den Schweizer freut’s, gegen den Uhrzeigersinn, platzieren jetzt die Spieler je einen Stein mit der passenden Hälfte an eines der beiden Enden der entstehenden Stein-Schlange. So wie wir es auch kennen. Die Doppelsteine werden dabei traditionell quer angelegt.

Kann ein Spieler nicht legen, klopft er auf den Tisch, als Zeichen, dass er passen muss oder möchte. Im Gegensatz zu den Regeln in Europa werden keine Steine nachgezogen! Ein Spieler kann auch beliebig oft passen.

Spielende und Wertung

Eine Runde Domino kann auf zwei Arten beendet werden. Entweder ein Spieler setzt seinen letzten Stein regelkonform an, oder das Spiel ist “gesperrt” – kein Spieler kann mehr einen Stein anlegen. Ist die Runde beendet, zählt jeder Spieler, der noch Steine hat, die Augen auf seinen Steinen zusammen. Das Team, das in Summe die niedrigere Zahl hat, gewinnt und bekommt die Punkte der Verlierer als Pluspunkte gutgeschrieben.

Eine Partie endet entweder bei 100 oder bei 200 Punkte. Wird bis 200 Punkte gespielt, wird meist das Ergebnis der ersten Runde doppelt notiert, was es dem unterlegenen Team der ersten Runde sehr schwer macht, später noch aufzuholen. Manchmal werden aber auch gar keine Punkte notiert, sondern einfach bis „best of 5“ gespielt. Dann zählt einfach nur der Gewinn einer Runde.

Goldene Regel bei Kubas Domino

Ganz wichtig ist den Kubanern die Einhaltung der Regeln. Ganz besonders den „ungeschriebenen Gesetzen“. Hier steht an oberster Stelle „über die eigene Hand wird nicht gesprochen!“ – Auch wenn es noch so lebhaft am Tisch zugehen mag, wird niemand sagen welche Steine er noch hat.

Die Domino-Steine

Domino Steine 9-9

Hier gibt es zwei Varianten. Zum einen, Steine mit bis zu sechs Augen, wie wir sie kennen, zum anderen die auf Kuba weit verbreiteten Steine mit bis zu neun Augen. (Die „klassischen“ Steine mit sechs Augen werden nur in ein paar Regionen im Osten des Landes verwendet.)

Auffällig bei den Steinen ist ein kleiner, im Durchmesser etwa 2mm großer, abgerundeter Metallstift, der mittig auf der Trennlinie etwas herausragt. Dieser kleine Metallstift soll das Muster (die Augen) beim Mischen schützen und gleichzeitig das Mischen erleichtern, da die Steine durch die kleinere Auflagefläche besser rutschen.

Die Größe der Steine ist ungefähr 2,5×4 cm bei einer Dicke von circa 0,7-1,5 cm. Das Material (Bakelit oder ähnliches) erinnert an das der „Heckmeck“-Steine.

Spielunterlage

Domino Tisch

Gespielt werden kann Domino eigentlich auf jeder x-beliebigen, ebenen Fläche. Auf der Straße sieht man häufig aber mehr oder weniger moderne Dominotische mit einer Fläche von circa 1×1 m, denen man ihr langes Domino-Leben deutlich ansieht. Das hat Charme. Manch ein Tisch hat sicher schon viel erlebt. Dramen, Siege und Niederlagen, aber solange die Spielfläche noch glatt und eben ist, ist der Tisch noch gut genug für viele, viele weitere Partien.

Der Rahmen rund um die Spielfläche dient dazu, dass keine Steine während des Mischens vom Tisch fallen. Zur Ablage der Spielsteine werden „Bänke“ aus Holz oder Blech verwendet. Alles Handarbeit – und wenn mal etwas in die Brüche geht? Kein Problem, repariert wird in Kuba ohnehin alles, nicht nur Autos!

Domino ist nationales Kulturgut

Wie eingangs erwähnt, ist Domino ein echter Volkssport. Wie bei vielen anderen Spielen, so gibt es auch in Kuba regionale und überregionale Wettbewerbe und Meisterschaften. Da aber das Domino-Spiel so allgegenwertig und „normal“ ist, nimmt die Presse von solchen Championaten kaum Notiz. Somit kennt man auch nicht die Namen der Gewinner der nationalen Meisterschaften. Außer man sitzt mit einem am Tisch. Bei uns kaum vorstellbar, aber das liegt auch an der Mentalität, Gemütlichkeit und Lebensfreude der Kubaner. Oder daran, das Domino eben kein echter „Sport“ ist.

Als wir unsere Reiseleiterin nach der Einstellung der Kubaner zu Domino fragten, erwiderte sie: „Playa, Musica y Domino son parta de nuestra Tradición“ (Strand, Musik und Domino sind Teil unserer Tradition) ein wunderschönes Zitat, zu dem unser Fahrer Lázaro lächelnd noch hinzufügte: „y sexo!“ Aber da wollten wir lieber nicht genauer nachhaken.

Domino SpielerDas schöne an Domino auf der Straße ist die Offenheit, mit der die Kubaner das Spiel spielen. Jeder kann und darf zuschauen und mitspielen. Da jeder hier die Regeln kennt, kann man jederzeit einsteigen oder ein Spieler/Team ablösen. Kein Problem. Einzig der Modus, die Siegbedingung wird kurz abgestimmt. Wir durften an den Tischen immer Fotos machen und Fragen stellen – sicher nicht selbstverständlich und eine wunderschöne Erfahrung.

Wie sehr die Kubaner „ihr“ Domino lieben und auch ernst nehmen, erkennt man spätestens nach Schilderungen über Herzinfarkte nach einem Sieg oder einer Niederlage. Ja, anscheinend kann Domino tatsächlich derart emotional sein und auf die Gesundheit gehen. Demnach ist es dann doch irgendwie körperliche Anstrengung.

Auf dem Friedhof „Christopher Columbus“, dem Zentralfriedhof Havannas, hat eine leidenschaftliche Dominospielerin, ihren Lieblingsstein, die Doppel-3 auf ihren Grabstein gravieren lassen. Den Stein, mit dem sie am liebsten eine Partie beendet hat.

Fazit

Domino ist in Kuba Emotion und Lebensfreude pur. Manchmal wird es laut und hektisch, ein anderes Mal spielt man sehr ruhig. Am Ende jedenfalls ist die Stimmung immer positiv. Auch wird nie um Geld gespielt, nicht nur weil es verboten ist. Und wer einmal in Kuba die Chance hat, zuzuschauen oder mitzuspielen (Fragen schadet nie), der sollte das unbedingt tun. Es lohnt sich!

 

Abschließend möchten wir uns für die tollen Einblicke, Informationen und Impressionen bedanken bei unseren tollen Freunden in Kuba. Danke Yane, danke Roberto, danke Lázaro. Ohne Euch hätte es weder Bilder, noch den Bericht über Domino in Kuba gegeben. Muchas gracias queridos amigos.


© 03.09.19 Oliver Sack

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Abbildungen der Spiele  © Fotos: Oliver Sack

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