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In unserer Reihe „Neues vom SpieltischRand“, widmen wir uns heute wieder einmal einem besonderen Spieler-Typus. Dem Leitwolf, dem „Alpha-Spieler“. Bestimmt hat ihn jeder schon mal gesehen, eventuell sogar im Spiegel. Er steht oder sitzt zunächst völlig unbemerkt wie jeder andere Mitspieler am SpieltischRand. Sein Verhalten lässt keinerlei Vermutung zu, was er im Schilde führt, was seine Ziele sind. In den meisten Fällen gibt er sich ganz unterschwellig zu erkennen mit einem Satz, der sich gar nicht so bedrohlich anhört: „Stopp, jetzt musst du …“
Ich denke, ihr habt jetzt schon wieder den einen Mitspieler vor Augen, den ich meine. Stimmt’s? OK, ich spüre, wir spielen mit denselben Leuten. Darum wollen wir uns jetzt mal näher mit diesem Individuum beschäftigen. Ein kleiner Ausflug in die Wissenschaft soll uns zunächst aber helfen, eine exakte Einordnung durchführen zu können. Schließlich geht es ja auch wieder darum, sauber und investigativ zu recherchieren. Auch wenn es trockene Theorie ist.
Der Alpha-Spieler (Alpha ludio maximus)
Bereits beim Blick auf seine Herkunft in der wird klar, es handelt sich bei einem Alpha-Spieler im Wesentlichen um jemanden wie Du und Ich.
Systematik:
Ordnung: Menschenartige (Hominoidea)
Überfamilie: Menschenaffen (Hominidae)
Familie: Mensch (Homo sapiens)
Unterfamilie: Spieler (Homo ludens)
Gattung: Brettspieler (Tabula ludio)
Art: Alpha-Spieler (Alpha ludio maximus )
Betrachten wir jedoch sein Erscheinungsbild, gibt es ein paar markante Merkmale, die den Alpha-Spieler deutlich von anderen Vertreter der Gattung „Brettspieler“ unterscheidet. Grundsätzlich entspricht der Alpha-Spieler von seinem äußeren Erscheinungsbild her, der typischen Grundform eines Brettspielers. Markanteste Gliedmaßen sind seine zwei Beine, die er meist jedoch unter dem Spieltisch verstaut. Seine zwei Arme, die er geschickt zum Spielen, Gestikulieren und zur Nahrungsaufnahme verwendet, sind seitlich am Rumpf zu finden. Die Reichweite der Arme erstreckt sich über weite Teile eines Spielplans. Der Kopf ist in der Regel leicht vom Hals abgesetzt, jedoch noch fest mit diesem verbunden. Er ist die Hülle der zentralen Recheneinheit, die innerhalb von Millisekunden komplexe, analytische Berechnungen einer Spielsituation bewältigen kann. Bei der KRL (Kopf-Rumpf-Länge) unterscheidet er sich wenig von anderem Spielertypen, jedoch fühlt ich der Alpha-Spieler größer als es optisch den Anschein macht. (Vergl. „Scheinriese“ Tur-Tur bei Jim Knopf). Wichtigstes Hilfsmittel am Kopf sind die beiden Augen. Mit ihnen erfasst er wie ein Chamäleon ca. 427 Grad des Geschehens auf dem Spielbrett. Ein Stück weiter, unterhalb der Nase verbirgt sich seine mächtigste Waffe – der Mund. Dieser liegt gelegentlich auch gut getarnt unter oder zwischen einem keratinhaltigen, fadenförmigen Gebilde, welches lediglich zur Filterung von hopfenhaltigem Schaum, Essensresten oder Stimulation des Weibchens dient.
Lebensraum
Zu seinen bevorzugten Habitaten gehören zum Beispiel die Ebenen Andorias oder die zerklüfteten, lebensfeindlichen Landschaften Pandamiens. Hier hat er alles im Griff und genießt dies auch sichtlich. Gelegentlich startet er mit einem Kick auch in weniger bekannte Gefilde.
Verhalten
Das Alpha-Tier beobachtet mit strengem Blick das Geschehen am Brett. Läuft irgendetwas entgegen seiner Vorstellung und Ideologie, greift er ein. Alle anderen Mitspieler werden sofort zu Statisten und fallen in Schockstarre. Er dirigiert das Geschehen, lenkt Aktionen und trifft Entscheidungen. Widerworte verhallen im Nachziehstapel. Jetzt spielt er eine Multi-Player-Solo-Partie. Der Erfolg ist ihm gewiss, alle Störfaktoren hat er unter Kontrolle. Ist er an der Reihe, macht er seinen Zug. Ist ein Mitspieler an der Reihe, macht er dessen Zug. Geht dabei etwas schief, was der Alpha-Spieler nicht vorhergesehen hat, greift er zu einem drastischen und erfolgsversprechenden Mittel. Er trumpt die Aktion! Sie wird rückgängig gemacht und als Fake deklariert. Schließlich hat man es nie so und schon gar nicht falsch, erklärt. Er ist der Meister, der Regelkenner, Fortuna, Apollo und Victoria in Personalunion. Alle anderen haben keine Ahnung. Das dieses Verhalten den Mitspielern mitunter stark auf die Nerven geht und oft als anstrengend beschrieben wird, kümmert den Alpha-Spieler wenig. Auch nicht, wenn dadurch der Spielspaß für die Gruppe gefährdet ist.
Fortpflanzung
Über sein Balzverhalten und die Fortpflanzung ist relativ wenig bekannt, da dies meist sehr versteckt geschieht. Führende Ludologen vermuten jedoch, dass der Alpha-Spieler auch hier den Rhythmus vorgibt. Ausnahmen bestätigen natürlich diese Regel. Die Forscher vermuten auch, dass gerade männliche Exemplare außerhalb des Spielbretts aus ihrer Alpha-Rolle verdrängt werden. Dies liegt, glaubt man den Kennern der Szene, an der häuslichen Dominanz der Weibchen.
Beute
Bevorzugte Beute des Alpha-Spielers sind ganz klar Wenigspieler und Spieler die sich nicht richtig entscheiden können. Er liebt es auch, wenn Mitspieler einen Fehler machen. Erkennt er einen Fehler, grätscht er direkt dazwischen um den unwissenden Spieler zu korrigieren und das gemeinsame Ziel, den Erfolg, zu bewahren. Das Ziel ist sein Weg.
Feinde
Zu den unnatürlichen Feinden gehören mit kooperative Spiele wie zum Beispiel „Magic Maze“ (Pegasus-Spiele). Hier wird der Alpha-Spieler von Autor und Redakteur in eine Art passives Wachkoma versetzt. Die durch die Spielregeln hervorgerufene partielle Paralyse reduziert seinen Handlungsspielraum auf ein oder zwei Aktionen, deren Auslösung nicht in seiner Macht stehen. Dazu verrinnt die Zeit, sie läuft gegen ihn. Erfolg wird zum Risiko. Er fühlt sich hilflos.
Top 3 der bekanntesten Alpha-Spieler
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(Liste bitte selbst ausfüllen)
Fazit
Ich hoffe niemandem zu Nahe zu treten mit diesem Beitrag. Er soll vielmehr ein kleines Lächeln in den ansonsten tristen Alltag zaubern. Und wenn ihr tatsächlich einmal mit einem Alpha-Spieler am Tisch sitzt, lächelt und habt Spaß zusammen.
Diese nicht ganz ernst gemeinte Vorstellung eines Spieler-Typus erscheint im Rahmen unserer Serie „Neues vom SpieltischRand“. Für weitere Folgen suchen wir noch mehr Ideen.
Der Einfachheit halber, verwende ich die maskuline Schreibweise in meinen Texten. Wenn ich von „Spieler“ schreibe, meine ich natürlich immer auch „Spielerinnen“ bzw. „Spieler m/w/d“
In der Reihe „Neues vom SpieltischRand“ sind bereits erschienen:
#01 Der „Passiv-Spieler“
#02 Der „Denker“
#03 Das „Opfer“
#04 Der „Regel-Erklärer“
#05 Der Würfel
#06 „Besondere“ Rezensionen
© Oliver Sack, 2018 – Titelbild Fotomontage: Oliver Sack – Alle Rechte vorbehalten. – Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung.